Die etwas andere Unternehmenskultur
Thomas Helferich, Leiter von Bayer Kultur, referierte über seine Arbeit vor angehenden Betriebswirten am städtischen Berufskolleg
Man spürte: So richtig konnten sie nichts mit ihrem Gast anfangen, jene Studenten, die ab dem kommenden Semester am Städtischen Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung lernen. Schon die erste Frage von Referent Thomas Helferich ging nach hinten los: „Wer von Ihnen geht denn regelmäßig ins Theater?“ Keine Hand oben. „Und wer von Ihnen war schon einmal im Erholungshaus?“ Eine Hand.
Aber der von der Schulleitung zur Semestereröffnung eingeladene Helferich ist ja auch ein eher ungewöhnlicher Ansprechpartner für angehende Betriebswirte. Er ist schließlich Leiter der Bayer Kultur, studierte früher Schauspiel und Regie, Gesang und Tanz, arbeitete beim Radio und bei der Zeitung und war mehrere Jahre Social-Media-Beauftragter des Bayer-Konzerns. „Mit diesem Lebenslauf hätte ich heutzutage wohl Probleme, eine Anstellung zu finden“, gab er denn auch lächelnd zu. Heute sei alles stringenter und schwieriger und nicht so einfach für Berufsanfänger. Die müssten sich erst einmal zurechtfinden. Er habe dagegen die „Gnade der frühen Geburt“. Und das sei quasi auch der Grund dafür, dass es die Bayer-Kultur seit über 100 Jahren gebe. In Zeiten, in denen es schwer sei, Opernhäuser zu renovieren (Köln) oder Philharmonien zu bauen (Hamburg), weil mittlerweile eben alles teurer und finanziell schwerer zu stemmen sei, könne er bei Bayer auf gewachsene Strukturen aufbauen. Auf das Erholungshaus etwa, das seit nunmehr 108 Jahren stehe und das gerade in der Anfangszeit europaweit seinesgleichen gesucht habe als Veranstaltungsstätte, Bibliothek und Haus zur Freizeitgestaltung der Werksmitarbeiter. „Es ist unser Zentrum, das schon immer da war und das wir nach unsrem Sinne nutzen können. Wir müssen nichts Neues bauen“. Bayer könne mit diesem Pfund wuchern und somit auch ohne einen riesigen Etat wie bei anderen Großkonzernen Kultur betreiben.
Der Vorteil daran: Er und sein Team können sich auf das Wesentliche konzentrieren: auf das Abbauen von Hürden in Sachen Kultur, damit die Menschen eben ins Theater oder zum Konzert gingen und sich die Sache lohne. Und plötzlich war Helferich als der Mann, der den Begriff der „Unternehmenskultur“ so ganz anders deutet als ein Betriebswirt, dann doch ganz nah bei seinen Zuhörern. Denn dieses Abbauen von Hürden, dieses Erleichtern des Zugangs zu einem Angebot – ob durch gewachsene Strukturen oder eine Social-Media-Kampagne – sei dann doch immer und für alle die gleiche Hauptaufgabe. Ob einer regelmäßig ins Theater geht oder nicht und ob bei der Frage danach keine oder alle Hände hochgehen, ist da letztlich egal.
Leverkusener-Anzeiger vom 1. September 2016
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